You take the things you love and tear them apart
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purified pain
24.11.2022, 18:55
« "Mir war nicht bewusst, dass du die Nähe zum Bürgertum als spaßig empfindest. Wann hast du dich denn jemals freiwillig unter das gemeine Volk gemischt?" »
Eurybia legte alles darauf an, nicht an Shallans Hinrichtung zu denken. Aber es wäre eine Lüge, zu behaupten, dass ihr dies tatsächlich gelang. Sie konnte noch so viele schöne Erinnerungen über den Tag der Hinrichtung stülpen - sie blieben nicht unberührt von der Wahrheit; alles Gute besaß mit einem Mal einen schmerzhaften, galligen Beigeschmack. Dachte sie an ihre Halbschwester, wie sie ihr früher schüchtern und liebevoll, mit einem vergebenden, einnehmenden Wesen gesegnet, zur Seite geestanden hatte, sah sie mit einem Mal auch die Hilflosigkeit in ihren Augen. Die nackte Angst in dem Weiß ihrer weit aufgerissenen Augen. Wenn in Eurybias Erinnerung Shallans Körper erzitterte, sie sich zu erwehren versuchte und dann doch leblos endete, nichts weiter als eine durch die Mangel genommene Leiche, die verstümmelt und grotesk verdreht, verbrannt und geschunden, ihr gar nicht mehr ähnlich sah, wurde der Prinzessin speiübel. Sie zitterte selbst. Sie schwitzte und fror zugleich. Sie erlitt Ängste und Pein und doch war ihr bewusst, dass dies nur ein Echo dessen war, was Shallan, ihre Shallan vor ihrem Tod noch durchlebt haben musste.Natürlich war an diesem Tag, so wie an jedem darauffolgenden Tag immer wieder aufs Neue, etwas in Eurybia gestorben. Gestorben war ihr Glaube daran, dass es so etwas wie Gerechtigkeit überhaupt gab. Shallan war für etwas gestorben, das nichts, absolut gar nichts, wert war. Und sich dieser grotesken Banalität bewusst zu sein, machte es einfach unmöglich, darüber zu reden - weil es nirgendwohin führte. Es würde sie, so glaubte sie, nicht beruhigen, nicht beschwichtigen, nicht in eine produktive Richtung drängen. Elysandre schien das auch zu wissen, denn sie brachte Eurybia in keinster Weise dazu, sich auch nur über das Geschehen zu äußern. Vielmehr teilten sie ein steifes Schweigen miteinander, das ungewöhnlich für die eine und extrem für die andere war. Tatsächlich wusste Eurybia überhaupt nicht, was in Elysandre vor sich ging. Aber es war ihr auch überhaupt nicht möglich, sich mit ihrer Cousine zu beschäftigen. Die Rückreise hatte sie selbst in einem Zustand von Wut und Trauer verbracht, der sie wie ein totes Insekt in Harz eingefangen hatte. Für sie hatte es keine Rolle gespielt, wie andere damit umgingen, weil sie zu aufgehalten von ihren eigenen Gefühlen gewesen war. Und jetzt war es einfach zu spät; zu spät für sie, Elysandre die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie vermutlich verdiente. Immerhin war Shallan auch für sie eine Bezugsperson gewesen; eine entfernte Verwandte und Freundin. Wofür Eurybia dankbar war, war, dass Elysandre nicht ihre eigene Trauer in die der Schwestern drängte, sondern sich in Distanz übte. Dass sich Eurybia dafür eventuell schämen sollte, gerade dafür Dankbarkeit zu empfinden, drang zu ihr selbst jedoch nicht durch. Doch obwohl es ihr noch immer schwer fiel, war sie doch an einen Punkt gelangt, an dem sie ihre Cousine wieder ansehen und sich nach Unterschieden in ihrem Verhalten umsehen konnte. Dem Anschein nach wirkte Elysandre besser dran als sie. Selbst mit der filigran gefertigten Maske auf der Nase blitzte in ihren Augen eine Entschlossenheit auf, die Eurybia nicht teilte. Ihr eigener Blick war matt, wirkte für Außenstehende vermutlich gelangweilt, obwohl es nicht Langeweile war, die sie empfand, sondern eine allumfassende Erschöpfung. Für sie war die Welt in dem Augenblick, in dem ihre Cousine und sie den Zugwaggon verließen, so verschlammt und unangenehm wie die Pfütze, in die sie prompt getreten war. Angeekelt rümpfte sie die Nase und schüttelte ihren Fuß aus, bevor sie ihren Rock leicht anhob, um über die Pfütze hinwegzutreten. Ironischerweise war es ihr wohl doch nicht egal, wie nass und dreckig der Saum ihrer Geraderobe wurde, obwohl die Kleider alles andere als nach ihren elitären Vorstellungen gefertigt waren. Im nächsten Augenblick hakte sich Elysandre bei ihr unter und zwitscherte als Antwort, es ginge darum, Spaß zu haben. "Spaß?" Eurybia konnte nur mit Mühe ein abfälliges Schnaufen unterdrücken, aber der Ton in ihrer Stimme verriet auch so bereits, wie wenig sie von der Idee hielt. "Mir war nicht bewusst, dass du die Nähe zum Bürgertum als spaßig empfindest. Wann hast du dich denn jemals freiwillig unter das gemeine Volk gemischt?" Das interessierte sie tatsächlich - denn sie beide waren doch unter den gleichen Umständen aufgewachsen, was hieß, dass sie von Kindesbeinen an mit dem Glauben injiziert worden waren, es wäre unter ihrer Würde, sich außerhalb eines offiziellen, wohlbehüteten Kontextes ihren Untergebenen zu zeigen. Dass Elysandre einer anderen Auffassung sein oder andere Erlebnisse gemacht haben könnte, kam Eurybia gar nicht in den Sinn. Weniger unglaubwürdig war die kleine Spitze, dass Eurybia vermutlich nicht mehr wusste, was Spaß bedeutete. Auch vor Shallans Hinrichtung war die Prinzessin für die wenigsten eine angenehme Gesellschaft gewesen, aber zumindest Elysandre hatte auch ihre andere Seite gekannt - so gut, dass Eurybia manchmal Angst gehabt hatte, die Rothaarige könne sie gegen sie verwenden. "Ich fühle mich nackt", erwiderte Eurybia mit Grabesstimme, war sie doch nur halb so eingeschnürt wie sonst, "ich weiß nicht, was daran spaßig sein soll." Sobald sie jedoch den Zirkuseingang erreichten, verstarben die Worte auf Eurybias Lippen. Vor ihnen türmte sich ein mit allerlei Tand geschmücktes Tor auf, das kunstvoll mit violetten und türkisfarben gestreiften Stoffen behangen war; diese wiederum wurden hinterrücks von Lichtern unheimlich beleuchtet, was einen schaurigen Effekt besaß. Ebenso schaurig war die Aussage Elysandres, hier wisse niemand, wer sie eigentlich wären. "Außer wir natürlich", fügte Eurybia trocken hinzu. Sie versuchte ja zu verstehen, was Elysandre an dem Spektakel reizte, aber so recht wollte es ihr nicht gelingen. "Wer willst du denn so dringend sein?" Sie warf Elysandre einen prüfenden Blick zu, der steinern wurde, sobald ihre Cousine ihr mit einem Mal, gewitzt wie sie war, einen neuen Namen verpasste. "Jetzt willst du mich doch nur demütigen", schnaufte sie und löste sich beleidigt vom Arm der anderen, um trotzig stehen zu bleiben. Was jedoch als kleiner Akt der Rebellion gegen Elysandres Häme gemeint gewesen war, artete mit einem Mal darin aus, dass man sie von hinten anrempelte und eine raue Stimme in ihr Ohr blaffte: "Ey, du bist nich die Einzige hier. Olle Fotze!" Eurybia, die unsanft beiseite gestoßen war, erblasste und schnappte wieder nach Elysandres Arm, die Lippen fest aufeinandergepresst, der Blick plötzlich ebenso zittrig wie ihr Körper. Ja, das war alles sehr spaßig hier, großartig. herkunft Ba Sing Se
stand Königsfamilie - Erde
alter 25 Jahre
gender Weiblich
bändigung Erde
beruf Prinzessin
größe 1,74
erscheinung
Eurybia ist noch immer schön anzusehen, selbst wenn ihre eisige rühr-mich-nicht-an Ausstrahlung die meisten Menschen erfolgreich auf Abstand hält. Wenn es sich einrichten lässt, bevorzugt es die Frau mit dem knochenbleichen Teint und dem goldenen, langen Haar, gar nicht erst wahrgenommen zu werden - in einem mit Menschen angefüllten Raum zu verschwinden, wäre ihr Traum. Doch als älteste Tochter von Balon, König von Omashu, ist ihr dies nie vergönnt gewesen. Auf Schritt und Tritt wird sie von Blicken verfolgt, die es ihr zur Angewohnheit haben werden lassen, eine gläserne Kälte wie ein zweites Gesicht über dem ihren zu tragen. Nur selten sieht man die blasierte Maske aufbrechen; zu lächeln scheint ihr unangenehm zu sein, obwohl sich erst bei diesem Gemütszug zeigt, wie hübsch ihr voller Mund tatsächlich ist, wie tief die Grübchen sich in ihre Wangen graben ... aber beim Lächeln zeigt sich auch die kleine angeborene Lücke zwischen ihren Vorderzähnen, für die sie von Kindesbeinen an von anderen Kindern am Hof verspottet wurde.
Sie ist es gewohnt, dass man sie nicht nur an ihren Handlungen, sondern als Prinzessin von Omashu auch an ihrem Aussehen misst, und hat sich doch nie mit den hohen Erwartungen anfreunden können, die an sie gehegt werden. Irgendetwas an Eurybia wirkt immer fehlplatziert, selbst wenn sie sich makellos präsentiert - irgendetwas passt nicht, ist immer zu sehr. Entweder ist sie zu blass, zu kalt, der Kiefer zu breit, die Augen zu wässrig blau, das Lächeln zu angestrengt, die Haltung zu steif, die Bewegungen zu kontrolliert, die Worte zu gewollt und der Geist dahinter zu wild, zu aufsässig, zu über alle Maßen gierig. Wenn man sie betrachtet, sieht man in ihrem Gesicht die Schönheit, mit der auch die Königsgemahlin Noe, ihre Mutter, gesegnet wurde, und doch fehlt es ihr an jener Leichtigkeit, an ihrer Grazilität. Die einzigen Male, in denen sie sich tatsächlich nicht fremd in ihrem Körper und den eigenen Bewegungen fühlt, ist beim Bändigen - doch wie es sich für eine Prinzessin gehört, hat man sie nie im Kampf unterrichtet, sondern lediglich im Kreieren schöngeistiger Kleinigkeiten, ebenso wie im Tanz mit dem Element. So wie auch sie nur Zierde ist, ihre Bildung und ihr Geist nur zum Locken und Binden eines passenden Ehemannes dienen, ist auch ihr Bändigen nichts weiter als das: eine Zierde ohne großartigen Nutzen. Dass sie die Erde wie einen festen Mantel um einen Menschen schließen und jenen zerquetschen könnte, sich dies schon oft ausgemalt hat, ist und bleibt eine Unaussprechlichkeit - denn eine Prinzessin würde solche Gedanken doch niemals hegen, sie nicht im Stillen in ihrem Kopf hin- und herrollen lassen, die Fantasie mit ihr füttern, nein.
Hinter der Fassade erscheint Eurybia wie ein Schatten, verborgen und verzerrt hinter milchigem Glas. Die Kleider der immerneuesten Mode mögen ihren Körper umhüllen, teure Stoffe sie zieren, Handschuhe aus fein gesponnener Seide sie vor Berührungen bewahren, und doch ist sie der Zierde lästig, ist sie es leid, nur ein Ausstellungsstück zu sein, das sich nur durch ein paar gnadenlos giftige Worte und der Eiszeit in ihrer Stimme Gehör verschaffen kann. Sie will aufstoßen, will sauer im Mund jener Menschen schmecken, die es wagen, in sie hineinbeißen zu wollen - zugleich scheut sie davor zurück, will mehr wie ihre heißgeliebte Mutter sein, mehr gar wie die sonnige, ihr nah am Herzen liegende Shallan - und wird doch unweigerlich keinen Erwartungen, weder ihren eigenen, noch denen anderer, gerecht.
gespielt von Chulia
(Name als Pronomen) |
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You take the things you love and tear them apart - von Eurybia - 06.11.2022, 23:11
RE: You take the things you love and tear them apart - von Elysandre - 22.11.2022, 17:44
RE: You take the things you love and tear them apart - von Eurybia - 24.11.2022, 18:55
RE: You take the things you love and tear them apart - von Elysandre - 20.12.2022, 14:08
RE: You take the things you love and tear them apart - von Eurybia - 06.01.2023, 15:35
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